Martin Hess vom TSV Ilshofen im Interview – „Man opfert sich auf“

Martin Hess ist ein erfahrener Stürmer, der mit dem TSV Ilshofen ein klares Ziel verfolgt: den Aufstieg in die Oberliga. Der 31-Jährige ist ehemaliger Profi, hat auch ein Spiel in der Bundesliga absolviert. Er spricht über Ilshofens Gegner Essingen, über Per Mertesacker und über seinen Trainer, den er einen Perfektionisten nennt.

Herr Hess, nach langer Winterpause gewann Ilshofen mit 3:0 in Gmünd, zeigte dabei eine ansprechende Leistung. Ist das Selbstvertrauen momentan so groß, dass es egal ist, wer der kommende Gegner ist?

Martin Hess: Richtig ist, dass wir einen guten Start hatten. Aber die Partie gegen Essingen wird kein Selbstläufer, denn die Mannschaft hat eine hohe Qualität. Es ist dort wohl viel Sand im Getriebe. Ich hätte Essingen viel weiter oben erwartet. Das Hinspiel haben wir zwar 2:0 gewonnen, aber die Partie hätte auch umgekehrt ausgehen können.

Bei der offiziellen Vorstellung vor der Saison meinte Ihr Sportlicher Leiter Dario Caeiro, dass Sie der einzige Spieler seien, der ein XL-Trikot benötigt. Stimmt das wirklich?

(schmunzelt) Dario und ich flachsen immer noch deswegen. Ich sage dann immer: große Nummer, großes Trikot. Es stimmt, dass ich ein XL-Trikot trage. Das liegt schlicht daran, dass diese Trikotserie besonders eng geschnitten ist. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht schon „alte Schule“, aber ich mag das nicht besonders. Wenn XL nicht ausgereicht hätte, würde ich auch XXL tragen. Hauptsache, ich fühle mich wohl darin.

Sie haben drei Jahre lang in Neckarsulm gespielt. Warum sind Sie nach Ilshofen gewechselt?

Kette (Ralf Kettemann, Spielertrainer des TSV Ilshofen, Anm. d. Red.) und ich waren immer wieder mal in Kontakt. Ich habe sein Projekt verfolgt und jetzt hat nichts dagegengesprochen. Zudem war die berufliche Perspektive da. Ich arbeitete für Eleven Teamsports in Crailsheim. Das war eine gute Erfahrung für mich, auch wenn ich nun für Bechtle tätig bin.

Sie haben lange Zeit das gelebt, was sich viele fußballbegeisterte Kinder erträumen: Sie waren Profi. Warum sind Sie es nicht mehr?

Das hat sich bereits in meiner Zeit bei den Sportfreunden Lotte (Martin Hess spielte dort von 2011 bis 2012, Anm. d. Red.) entwickelt. Ich habe gespürt, dass mir der Fußball nicht mehr das gibt, was er mir mal gegeben hat. Deshalb habe ich mich dann auch bewusst gegen einen weiteren Profivertrag bei Darmstadt 98 und für die Reamateurisierung bei Waldhof Mannheim entschieden, da damals dort auch meine Freundin gewohnt hat. Es war sozusagen eine Win-win-Situation.

Was meinen Sie genau mit „der Fußball hat mir nicht mehr das gegeben“?

Ich war fast ein Jahrzehnt Profi. Wenn man das ist, opfert man sein ganzes Leben für den Fußball auf. Zwangsläufig vernachlässigt man seine Familie und Freunde. Und egal, wie es einem geht: Man muss Leistung bringen, und zwar idealerweise zu den Zeiten, die der Trainer beziehungsweise der Verein möchte.

Sie klingen ein bisschen wie Per Mertesacker. Der Nationalspieler hat kürzlich in einem Interview mit dem „Spiegel“ von dem enormen Druck berichtet, der auf einem Profi lastet. Haben Sie das Interview gelesen?

Ich kenne nur Auszüge daraus, gebe Per Mertesacker aber recht. Natürlich hat man sich als Profi den Druck ein Stück weit ausgesucht, aber einen schlechten Tag darf es nicht geben. Profis müssen Maschinen sein. Das ist dann auch kein Spaß mehr, das ist dein Job.

Gibt es etwas, das Sie während Ihrer Profizeit bereuen?

Es war ein Fehler von mir, dass ich keine Ausbildung gemacht habe. Das wäre damals beim VfB Stuttgart möglich gewesen. Ich kann jedem ambitionierten Nachwuchsspieler nur dazu raten. Ich saß mit 24 Jahren wieder in der Schule, meine Klassenkameraden waren teilweise zehn Jahre jünger. Das ist schon ein eigenartiges Gefühl.

Wie ist Ralf Kettemann im Vergleich zu Mario Basler, den Sie als Trainer in Burghausen hatten?

Basler ist ein Motivator, ein Bespaßer, aber viele Trainer sind besser als er. Was Kette angeht: Er ist ein Perfektionist. Wir können den Gegner herspielen und 3:0 gewinnen, dann findet er immer noch etwas, das ihm nicht gefallen hat.

Sind Sie auch so?

Nein. Wenn wir durch zwei Eigentore gewinnen würden, würde ich sagen: Gewonnen ist gewonnen. Vielleicht ist das auch der Unterschied zwischen Spieler- und Trainerperspektive.

Was wollen Sie mit Ilshofen in dieser Saison erreichen?

Wie ich schon bei meiner Vorstellung sagte: Mein Auftrag lautet, mit Ilshofen aufzusteigen.

Ist das nicht wieder der vorhin erwähnte Druck?

Nein. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Ich bin gesund, meine Familie ist gesund. Das zählt. Für mich ist das deshalb kein Druck, aber das erklärte Ziel.

Und dann sehen die Ilshofener Fans Sie in der kommenden Oberliga-Saison wieder im roten Trikot?

Wir werden uns in den kommenden Wochen zusammensetzen, dann werden wir sehen. Wenn ich es noch mal anziehe, dann aber nicht in XL (lacht).