Am Montag, 30. November, um 3.49 Uhr in der Früh erreicht die Geschäftsstelle des TSV Ilshofen elektronische Post. Ein gewisser Daniel Geiger stellt sich und seinen Fußballblog „Geiger’s Eleven“ vor. Dort wolle er eine Serie über junge Spieler in Amateurklubs schreiben. Er bittet um die Kontaktdaten von Sascha Esau, da dieser ihm „ganz besonders ins Auge“ gestochen sei. Zudem seien seine Bemühungen, den Spieler über soziale Netzwerke zu kontaktieren ins Leere gelaufen. Dario Caeiro, Vorstand Fußball des TSV Ilshofen, antwortet keine zwei Tage später, dass sich Sascha Esau bei dem Anfragenden melden werde und bedankt sich für das Interesse. In der Folge kommt es zu Telefonaten, Nachrichten über Messengerdienste und zu der Erkenntnis, dass es weder einen Daniel Geiger gibt noch einen Fußballblog mit Namen „Geiger’s Eleven“, dafür aber einen Spielerberater namens Stefan Herbert.
Sascha Esau ist 19 Jahre alt, kam in der B-Jugend vom SC Bühlertann nach Ilshofen. Bis zur Unterbrechung der Saison spielt er hauptsächlich bei der U23 des TSV Ilshofen in der Bezirksliga, erzielt in neun Spielen acht Treffer. Darüber hinaus gehört er zum Kader des Oberliga-Teams. Vor der Saison durften einige Spieler der U23 bei der Oberliga-Mannschaft mittrainieren. Jannis Schlosser und Sascha Esau überzeugten Trainer Julian Metzger und wurden hochgezogen. In der Oberliga kam Sascha Esau bislang zu zwei Kurzeinsätzen, gegen Walldorf und Freiberg durfte er jeweils für ein paar Minuten aufs Feld. Darüber hinaus spielte er das gesamte WFV-Spiel in Leonberg (7:2) und eine Halbzeit beim folgenden WFV-Pokalspiel in Eltingen-Süd. Ordentliche Leistungsnachweise für einen „Jungen aus der Region“, wie ihn Dario Caeiro (rundes Bild) nennt.
Die Interview-Anfrage freut den Fußball-Vorstand. Er leitet die Mail an Sascha Esau weiter, der daraufhin eine E-Mail mit seiner Telefonnummer an den vermeintlichen Daniel Geiger sendet. Dieser ruft ihn kurze Zeit später an. „Es war ein fast 40-minütiges Gespräch. Zunächst hat er viel von sich und seinem Werdegang erzählt“, berichtet Sascha Esau. „Nach rund 20 Minuten hat er sich dann offenbart.“ Denn Daniel Geiger ist nicht Daniel Geiger, sondern Stefan Herbert, ein Spielerberater aus der Nähe von Wiesbaden.
Sascha Esau ist verunsichert. „Ich wusste zunächst gar nicht, was ich sagen soll. Ich hatte mich nie mit dem Thema Spielerberater befasst und habe auch kein Interesse daran.“ Nach dem Gespräch informiert er Dario Caeiro mit einer Sprachnachricht. Es sei kein Interview gewesen, sondern eine Masche, um an seine Nummer zu kommen. Dario Caeiro war „richtig sauer. Das ist eine ganz miese Tour“. Er schickt Daniel Geiger beziehungsweise Stefan Herbert eine Nachricht. „So eine Arbeitsweise habe ich noch nicht erlebt.“
Dario Caeiro besorgt sich über einen Bekannten die Liste vorregistrierter Spielervermittler. Dort gibt es den Namen Stefan Herbert nicht. Auch im Internet ist in dieser Kombination nichts zu finden, außer einem Eintrag auf transfermarkt.de. Dort ist der Diplom-Sportbetriebswirt Stefan C. Herbert als Berater aufgeführt. Die Anzahl der betreuten Spieler: Null.
„Noch Null“, meint Stefan Herbert dazu. Er gibt bereitwillig Auskunft. Er habe sich vor kurzem selbstständig gemacht als Spielerberater, zusammen mit einem Bekannten, der Steuerberater ist. „Es läuft schon ganz gut.“ Tatsächlich habe er keine Homepage. „Die hatte ich, aber die hat kein Mensch gelesen und letztlich waren mir die laufenden Kosten zu hoch.“ Er bestätigt, dass es weder Daniel Geiger noch dessen Fußballblog gibt. „Da habe ich mir einen Trick ausgedacht, um an Telefonnummern zu kommen. Das funktioniert in der Tat. Es ist ein kleines Flunkern, bei dem niemand zu Schaden kommt. Eigentlich eine unspektakuläre Sache.“ Dass er sich nicht direkt als Spielerberater zu erkennen gibt, liege daran, „dass dann bei den Vereinen sofort alle Alarmglocken angehen, wenn man sich so bei ihnen meldet“.
Auf Sascha Esau sei er gekommen, als er sich auf transfermarkt.de „bei Oberligisten alle Parameter“ anschaute. „Ich war früher Jugendtrainer und glaube, ein feines Näschen zu haben.“
Das Gespräch mit Sascha Esau sei sehr angenehm gewesen. „Sascha wirkte auf mich, dass er ein sehr bodenständiger Mensch ist. Ich hatte durchaus den Eindruck, dass er mit mir den nächsten Schritt machen will.“ Nach dem Telefonat schickte Stefan Herbert noch eine Mail an Sascha Esau mit seinem Diplom und der Aussicht, dass er bei einer Übereinkunft absolut kostenlos für ihn arbeiten werde. „Ich hatte den Eindruck, dass Sascha Interesse hat.“ Darauf angesprochen, fällt die Antwort Sascha Esaus kurz, aber bestimmt aus. „Nein!“
„Dickes Fell“
Die Nachrichten von Dario Caeiro hat Stefan Herbert gelesen, aber sie beeindrucken ihn nicht. „Ich habe diesbezüglich ein dickes Fell. Der Herr Caeiro fühlt sich gelinde gesagt auf den Schlips getreten, weil ich ihn hochgenommen habe. Das mit dem Datenschutz verstehe ich nicht, schließlich hat mir ein Vereinsvertreter die Nummer gegeben, wenn ich mich richtig erinnere.“ In Sascha Esaus Fall war es der Spieler selbst, da er an eine Interviewanfrage glaubte.
Auch Tage später ist Dario Caeiro noch fassungslos. „Es ist ohne Worte, was sich der Typ erlaubt hat. Vertrauen wird mit Füßen getreten.“ Sascha Esau wird nicht auf Herberts Mails reagieren. Er will sich in der Winterpause fit halten, um bereit zu sein, wenn es wieder losgeht – wann immer das im Frühjahr sein wird.
Für den Beruf des Spielerberaters gibt es keine spezifische Ausbildung. Viele aktuellen Spielerberater haben allerdings Sportmanagement studiert.
Kernaufgabe eines Spielerberaters ist es, mit seinem Klienten die Karriere des Spielers zu planen. Dazu gehören Vertragsverhandlungen, aber auch das Beraten bei Auftritten in der Öffentlichkeit. Ein weiterer Punkt ist, dass Spielerberater ihren Schützlingen Aufgaben abnehmen, die nicht direkt mit dem Geschehen auf dem Platz zu tun haben: Das reicht von Versicherungen abschließen, Steuererklärung erstellen bis zur Wohnung finden.
Früher mussten Spielerberater eine Lizenz erwerben, um offiziell anerkannt zu werden. Heutzutage gilt das nicht mehr: Spielerberater müssen nur noch ihre Tätigkeit offiziell beim entsprechenden Nationalverband registrieren, um als Spielerberater agieren zu dürfen.
Einer der bekanntesten Spielervermittler ist Jorge Mendes. Der Portugiese hat bei seiner Agentur GestiFute einige bekannte Fußballstars unter Vertrag, unter anderen Cristiano Ronaldo. In Deutschland ist der ehemalige Profi Thomas Kroth bekannt. Bei seiner Agentur ist beispielsweise Manuel Neuer unter Vertrag.
Auf der Homepage des DFB gibt es unter dem Reiter „Verbandsservice“ eine aktuelle Liste der registrierten Spielervermittler.
Quelle: Haller Tagblatt